Der
Traum des Architekten
Eine
Reise zu den Pyramiden von La-Grande-Motte
Planstädte,
Neustädte, Hauptstädte auf dem Reißbrett – sie alle sind
Produkte und spätere Zeugen einer bestimmten Zivilisationsstufe und
weisen doch schon während ihrer Entstehung weit über diese hinaus.
Der Gedanke sich zu verewigen, etwas Monumentales und gleichsam Weg weisendes in Stein zu meißeln, hat Staaten und Herrscher immer
fasziniert. Das „Regieren per Dekret“, welches alle Bedenken
beiseite räumt und zentrale Entscheidungen trifft, gepaart mit dem
unbedingten Fortschrittsglauben der Moderne, bildet die idealen
Rahmenbedingungen für einen solchen Masterplan.
Der 38jährige Architekt Jean Balladur erhält den Auftrag
La-Grande-Motte zu erschaffen und widmet sich mit zeitgemäßer
Heroik dem gigantischen Vorhaben. Ein Traum für jeden Architekten
und nur für wenige wird er wahr. So wie für Oskar Niemeyer, der Brasilia entwirft, und Le
Corbusier, dessen Handschrift Chandigarh, die Hauptstadt des
indischen Bundesstaates Punjab, trägt.
Balladur
lässt sich bei seinem städtebaulichen Entwurf gleichsam von den
vorgefundenen Gegebenheiten wie Wind und Wellen, als auch von den
Eindrücken einer Südamerikareise inspirieren. So sind die Vorbilder
seiner pyramidenförmigen Appartementhäuser um die Marina in
mexikanischen Tempelanlagen zu finden. Dagegen erinnern die Balkone
an die mystischen hängenden Gärten in Persien – vielleicht eine
Reminiszenz an Balladurs Herkunft; der Architekt wurde in Izmir
geboren. Faszinierend ist das einheitliche bauliche Ensemble, welches
auch später nicht durchbrochen, sondern in Vororten von Schülern
Balludurs fortgesetzt wurde. Bis heute ist die einheitliche
Farbgebung jedes Gebäudes durch orangen, blaue oder grüne Jalousien
erhalten geblieben. Die Fassaden spielen mit Wellenmotiven, gewinnen
dadurch eine fast spielerische Leichtigkeit und die Gebäude passen
sich trotz ihres futuristischen Aussehens organisch in die Landschaft
ein. Man atmet noch den positiven Fortschrittsglauben der Gründer,
zu einer Zeit, in der dem modernen Menschen uneingeschränkt die
Zukunft gehörte.