Freitag, 31. August 2012


Der Traum des Architekten
Eine Reise zu den Pyramiden von La-Grande-Motte

Planstädte, Neustädte, Hauptstädte auf dem Reißbrett – sie alle sind Produkte und spätere Zeugen einer bestimmten Zivilisationsstufe und weisen doch schon während ihrer Entstehung weit über diese hinaus. Der Gedanke sich zu verewigen, etwas Monumentales und gleichsam Weg weisendes in Stein zu meißeln, hat Staaten und Herrscher immer fasziniert. Das „Regieren per Dekret“, welches alle Bedenken beiseite räumt und zentrale Entscheidungen trifft, gepaart mit dem unbedingten Fortschrittsglauben der Moderne, bildet die idealen Rahmenbedingungen für einen solchen Masterplan.






 Anfang der Sechziger Jahre beginnt die Wohlstandsgesellschaft dem einzelnen Menschen mehr Freizeit zur Verfügung (und zum Vergnügen) bereit zu stellen. Der Massentourismus entsteht. Im Frankreich de Gaulles soll das Phänomen in breite Bahnen gelenkt werden und man beabsichtigt die abgelegenen, sumpfigen und mücken-verseuchten Küstenstreifen des Languedoc umzugraben. Ganze Städte, großzügig und für den zunehmenden Verkehr gerüstet, sollen aus dem Nichts entstehen und der positiven Zukunft ein neues Gesicht geben.





Der 38jährige Architekt Jean Balladur erhält den Auftrag La-Grande-Motte zu erschaffen und widmet sich mit zeitgemäßer Heroik dem gigantischen Vorhaben. Ein Traum für jeden Architekten und nur für wenige wird er wahr. So wie für Oskar Niemeyer, der Brasilia entwirft, und Le Corbusier, dessen Handschrift Chandigarh, die Hauptstadt des indischen Bundesstaates Punjab, trägt.


Balladur lässt sich bei seinem städtebaulichen Entwurf gleichsam von den vorgefundenen Gegebenheiten wie Wind und Wellen, als auch von den Eindrücken einer Südamerikareise inspirieren. So sind die Vorbilder seiner pyramidenförmigen Appartementhäuser um die Marina in mexikanischen Tempelanlagen zu finden. Dagegen erinnern die Balkone an die mystischen hängenden Gärten in Persien – vielleicht eine Reminiszenz an Balladurs Herkunft; der Architekt wurde in Izmir geboren. Faszinierend ist das einheitliche bauliche Ensemble, welches auch später nicht durchbrochen, sondern in Vororten von Schülern Balludurs fortgesetzt wurde. Bis heute ist die einheitliche Farbgebung jedes Gebäudes durch orangen, blaue oder grüne Jalousien erhalten geblieben. Die Fassaden spielen mit Wellenmotiven, gewinnen dadurch eine fast spielerische Leichtigkeit und die Gebäude passen sich trotz ihres futuristischen Aussehens organisch in die Landschaft ein. Man atmet noch den positiven Fortschrittsglauben der Gründer, zu einer Zeit, in der dem modernen Menschen uneingeschränkt die Zukunft gehörte.