Mittwoch, 10. Dezember 2014

(kein) ganz normaler Sonntag


Westerbork oder die Form des Erinnerns


Brachland.
Was hier Zeugnis ablegen könnte von der Angst, der falschen Hoffnung und dem nahenden Ende für über Hunderttausende von Opfern des Genozids, ist verschwunden, abgerissen und geräumt.

Das ehemalige "polizeiliche Judendurchganglager Kamp Westerbork" ist heute eine freie Fläche, eine Leerstelle inmitten eines Waldstücks.


Steine kennzeichnen die Orte, wo einst die Häftlingsbaracken standen, einige wenige sind rekonstruiert, um dem Besucher eine Vorstellung von der Anordnung zu geben.


Ansonsten wächst hohes Gras über die Geschichte.
Einzig die großflächigen Aufsteller mit historischen Aufnahmen dienen als Wegweiser in die Vergangenheit.
Eine eigenartige, scheinbar nicht zueinander passende, Konstruktion: Schwarz-weiße, ausgemergelte und angstvolle Gesichter an einem warmen Frühsommertag, dessen wolkenloser Himmel blühende Wiesen überspannt. Dieser aufgelassene Steinbruch der jüngeren Geschichte ist ein Eldorado für Insekten und Kleintiere. Unwissend hat der Mensch durch sein abscheuliches Handeln ein Biotop geschaffen.


Doch den Weg dorthin, der auf dem historischen Schienenstrang angelegt ist, kennzeichnen hölzerne Stelen, jede für einen der 93 Deportationszüge, die das Lager in entgegengesetzter Richtung verließen. 
102.000 Frauen, Männer und Kinder wurden von Westerbork in die Vernichtungslager verbracht, überwiegend nach Auschwitz und Sobibor.
Niemand hat überlebt.


Camp Westerbork in der Provinz Drenthe diente vor der Übernahme durch die deutsche Wehrmacht als zentrales Auffanglager für Flüchtlinge aus Nazi-Deutschland. Die niederländische Regierung wollte die überwiegend jüdischen Exilanten keinesfalls aufnehmen oder integrieren, sondern stempelte sie als "unerwünschte Ausländer" ab. 
Erst 1942 wurde das Lager komplett der deutschen Verwaltung unterstellt, ein Umstand, der zeitlich mit dem Beginn der Deportationen in Zusammenhang stand.
Als Umschlagplatz war Westerbork von nun an integraler Bestandteil des systemmatischen Völkermords an den niederländischen Juden. 

Westerbork besaß den Vorteil eines verkehrstechnisch günstig gelegenen Eisenbahn-Knotenpunkts nahe der deutschen Grenze. Zunächst liefen die zusammengestellten Züge über Hooghalen, später wurden Gleise verlegt, welche eine direkte Anbindung des Lagers an die Bahnstrecke Beilen-Assen, ermöglichten.
Von Assen führte die Fahrt über Groningen und den Grenzbahnhof Nieuweschans ins deutsche Reich und weiter in die Vernichtungslager im Osten.

Heute verlaufen Fernradwege, wo einst jeden Dienstag die Transporte abgingen.


Menschen machen einen Ausflug, verbringen ihren Sonntag im Lager, das kein Friedhof sein will.



Es ist ein zumindest gewöhnungsbedürftiger Anblick für uns, die wir mit einer streng ritualisierten Erinnerungskultur aufgewachsen sind.

Ein Durchgangslager ist kein Vernichtungslager.
Picknick im Schatten von Verbrennungsöfen bleibt undenkbar.

Sicher ist, dass die Verhältnisse in Westerbork vergleichsweise - wenn so ein Vergleich überhaupt zulässig ist - günstig waren. Für die Insassen galt es, Mittel und Wege zu (er)finden, ihren Aufenthalt im Lager so lange wie möglich zu verlängern und den Todestransporten zu entgehen.
Ziel der Lagerleitung war es zudem, die Häftlinge über ihren Status und ihre Zukunft im Unklaren zu lassen, um keine Unruhen und Tumulte zu provozieren.
Dieses zutiefst inhumane Spiel erklärt die beinahe humane Behandlung.

Doch das Ende war gewiss.
Lediglich aufgeschoben.

Camp Westerbork liegt nicht im Land der Täter.
Wir Deutschen begegnen der Topographie des Grauens häufig still, gebeugt und schamhaft.
Die Verantwortung für das, was war, wiegt schwer.
Es gibt kein Entrinnen aus dieser Verantwortung.

Doch in einem Land, dessen Einwohner mehrheitlich die Opfer stellten, verändert sich augenscheinlich die Perspektive des Erinnerns.
Ein anderer Zugang zu Orten der Geschichte ist erlaubt.
Die Zeit ändert aber auch unseren Zugangscode, den unsere Eltern uns eingeimpft haben. Unsere Kinder werden eigene Wege der Erinnerung suchen und beschreiten.


Vielleicht schafft ein offenes Gelände auch mehr Offenheit im Umgang mit dem Geschehenen.

An jenem Sonntag in Westerbork fragte ich mich, ob es nicht ebenso zulässig wie wünschenswert ist, dass Menschen an einem solchen Ort lachen, statt in getragener Stimmung die immer gleichen Kränze nieder zu legen. Und das Leben herrscht, wo einst der Tod zu Hause war.

Es gibt kein Recht auf die eine Form des Erinnerns, wohl aber ein Recht auf Erinnerung an die Opfer.



Freitag, 14. November 2014

Radio Egelfeld sendet und sendet und sendet und...

Liebe Hörerinnen und Hörer von Radio Egelfeld,

falls ihr gehofft habt, hier unsere neue Sendung zu finden, so müssen wir euch einerseits enttäuschen...andererseits jedoch glücklich machen, denn Radio Egelfeld gibt es fortan HIER:

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