Vor mir am Counter stehen zwei Kids in ihren unglaublichen Zwanzigern - Jorge Edwards hat mal geschrieben, dass man mit zwanzig immer unglaublich ist - Hosen auf halb acht, in T-Shirts von superdry und mit lässig-gelangweiltem Blick. Ich schätze sie sind von Beruf Sohn und arbeiten lieber tagsüber in gepflegter Gesellschaft an ihrem handicap, als sich in überfüllten Hörsälen irgendeinen trocken-theoretischen Stoff rein zu ziehen.
Ich sehe mich um. Den
Großteil des Clubhauses nimmt ein gebogener Tresen ein, hinter dem ein
zierliches Mädchen hockt, die Haare sportlich kurz gehalten
und passend zur Umgebung mit Polohemd gekleidet. Links vom
Empfangsbereich trennt eine Schiebewand den Lounge-Bereich ab. Dort
stehen dicke bordeauxrote Kunstleder-Fauteuils um kleine Glastische
gruppiert. An den Wänden hat jemand Sinnsprüche aus dem Golfleben
der Prominenz verewigt. „Sag nicht, es ist schwer, fremde Leute
kennen zu lernen - dann hast Du noch nie den falschen Golfball
aufgehoben - Jack Lemmon.“
Die breite Fensterfront gibt den Blick
frei auf die driving range, wo bereits früh morgens eine Reihe
adretter Mittsechzigerinnen eimerweise Übungsbälle schlägt.
Irgendwo dahinter liegt der 9-Loch-Kurs, den zu spielen allerdings
die sogenannte Platzreife voraussetzt. Dahinter verbirgt sich der
Nachweis einiger Übungsstunden mit dem Spielgerät nebst Prüfung
sowie eine Einweisung in die Regeln und den Verhaltenskodex; sprich:
keine Bluejeans, Hemd mit Kragen, Männer zuerst und dergleichen
mehr. Ich drehe mich um, weil jemand in die Lounge getreten ist von
dem ich annehme, dass es der Geschäftsführer ist. Ich bin hier für ein
Vorstellungsgespräch.
Daniel M. Ist
Anlagenmanager und nach eigener Auskunft ständig im Stress.
Vermutlich steht er beruflich ähnlich stark unter Druck wie seine
vormittäglichen Spielpartner – Ex-Fussballstars und blonde
Tennislehrer in Teilzeit. Golf ist aber anscheinend ein probates
Mittel gegen Termine und lästige Telefonanrufe, denn Daniel M. frönt
dem Rasensport regelmäßig während der Arbeitszeit, z.B. wenn beim „after work challenge“ um 14 Uhr ein Teilnehmer ausfällt;
dann springt der Chef eben ein – Ehrensache. Natürlich gehört das
Spiel zum Anforderungsprofil der Angestellten. Ist schließlich eine ernste Sache und
keinesfalls etwas für reiche Frührentner. Trotzdem fällt mir
sofort der Satz von Werner Lorant ein: „Ich spiele kein Golf, ich
bin noch sexuell aktiv.“

Ich wische den Gedanken
und das Konterfei von Franz Beckenbauer vor meinem inneren Auge bei
Seite und konzentriere mich auf das Gespräch. Ja, ich bin mir
sicher, dass ich ein Händchen für die Neurosen der Premiumkunden
habe – die Arztgattinnen, Immobilienmaklerinnen und
Yachtbesitzer-Ehepaare. Ein paar Straßen weiter habe ich noch vor
einigen Wochen so manchen von Ihnen die passenden Luxuskarossen mit
Stern übergeben und dabei verzweifelt versucht, Navigation und
Mobiltelefonverbindung Leuten zu erklären, die nicht einmal den
Temperaturregler ihrer Klimaanlage verstehen.
Egal, ich bin frohen
Mutes und lasse mir den Turnierbuchungsplan und die Tagesbelegung des
Platzes erklären. Es gibt Kunden wie Harry, die könnten sich jeden
morgen von ihrem PC aus eine Startzeit für eine Platzrunde, den sogenannten flight, buchen – theoretisch. Das empfiehlt sich, weil es einfach, reibungslos und schnell geht. Aber nicht
mit Harry. Der möchte sich lieber jedes Mal auf's Neue das System
von den zumeist jungen Counter-Aushilfen weiblicher Natur erklären
lassen, um dann – charmant, charmant – doch die Startzeit manuell
eintragen zu lassen. Hauptsache der Flirt am Tresen dauert lange
genug, denn Harry hat zwar Zeit und Geld – auf beides muss das
Mädel am Empfang leider größtenteils verzichten - aber verdammt
alleine ist er auch.
In der Schrankküche im
hinteren Bereich bereiten wir kleine Snacks zu, sagt Daniel M:
belegte Aufbackbrötchen, Bockwurst, Pizza-Teilchen...Unglaublich,
was die Kundschaft für einen schlechten Geschmack hat, denke ich bei
mir. Die Zutaten sind von der billigsten Sorte, aber die so-tun-als-ob-Bohemiens schaufeln sich die tiefgekühlte
Currywurst rein, als sei Weihnachten. Geld und Gusto fallen halt
selten zusammen vom Himmel.
Apropos tiefgekühlte
Currywurst und nur so zum gemeinsamen Verständnis: Da sind die
maschinell zerteilten Formwürste bereits mit der fertigen
Curry-Ketchup-Substanz einzeln ummantelt. In der Mikrowelle wird
daraus dann ein optisch einwandfreier Imbissfraß. Aber das nur am
Rande.
Daniel M. Hat jetzt
keine Zeit mehr. Zwei seiner regelmäßigen Mitspieler sind schon an
Loch 1 und er muss sich sputen. Alles weitere werde ich von seiner
Kollegin, der Clubsekretärin erfahren, ruft er mir noch zu. Dann ist
er raus. Ich blicke über DAS Grün vor dem Fenster, trinke meinen
Café Latte aus und nehme meine Barbour-Jacke vom Hacken. Ein letzter
Blick fällt auf die prominent besetzte Liste für das Preisturnier
am Wochenende. Dem Gewinner winkt ein Startplatz bei einem Turnier in
Katar - also dort, wo das Grün quasi zu Hause ist.